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Caspar David Friedrich und die Kunst des langsamen Reisens

Caspar David Friedrich (1774–1840), Wanderer über dem Nebelmeer, um 1817, Öl auf Leinwand, 94,8 x 74,8 cm, Dauerleihgabe der Stiftung Hamburger Kunstsammlungen © SHK/Hamburger Kunsthalle/bpk/Foto: Elke Walford

Es ist das wohl bekannteste Gemälde der deutschen Romantik: der „Wanderer über dem Nebelmeer“, geschaffen um 1818 von Caspar David Friedrich. Ein gut situierter Wanderer mit Gehrock und Gehstock steht auf einem Felsen und betrachtet eine Landschaft aus teilweise bizarr geformten Bergkuppen, die aus wallendem Morgennebel ragen. Die Anregung dafür lieferte die mystische Felsenwelt der Sächsischen Schweiz.

2024 würde Caspar David Friedrich seinen 250. Geburtstag feiern. Sein umfangreiches Œuvre ist mit etwa 150 Gemälden und 1.000 Zeichnungen, Aquarellen, Radierungen und Holzschnitten erhalten, zudem verfasste er Gedichte und kunsttheoretische Schriften. Grund genug, ihm in seiner Wahlheimat Sachsen nachzuspüren und dabei großartige Landschaften zu entdecken: Orte, an denen er malte, Orte, die er malte, und Reiseziele, die er besuchte.

Von der Ostsee in die Wahlheimat Sachsen

Geboren 1774 in Greifswald, kam der 24-jährige Maler im Sommer 1798 nach Dresden, um hier zu jenem Künstler zu werden, dessen Werke ihre Betrachter noch immer in ihren Bann ziehen. Über 40 Jahre war die Stadt Friedrichs Lebensmittelpunkt, hier gründete er eine Familie, hier starb er 1840 mit 65 Jahren. Sein Grab befindet sich auf dem Trinitatisfriedhof in der Johannstadt.

In Dresden und dem Elbtal begegnet man Caspar David Friedrich an seinen Lieblingsschauplätzen, sieht die Inspirationsorte für seine Skizzen und Gemälde. Etwa für „Das Große Gehege bei Dresden“ von 1831/32. Es wird vermutet, dass es die Perspektive von der Neustädter Seite aus wiedergibt, heute etwa auf der Höhe des Lokals „Lindenschänke“.

Wie auf dem Gemälde „Das Große Gehege bei Dresden“ ließ sich Caspar David Friedrich von der näheren und ferneren Umgebung seines Wohnortes inspirieren. Foto: Michael R. Hennig (DML-BY)

Während der Jahrzehnte in Dresden erlebte Friedrich die produktivste Zeit seines Lebens. Er setzte sich mit den Exponaten der Gemäldegalerie auseinander, war außerordentlicher Professor an der Kunstakademie, brachte sich in zeitgenössische Kunstdebatten ein und schuf viele seiner bedeutenden Bilder, die in Kunstsammlungen weltweit zu finden sind.

In Dresden zu Hause, im romantischen Elbtal unterwegs

Die Umgebung der Stadt erwanderte Caspar David Friedrich sich. Wenn der Maler reiste, ging er gemächlich zu Fuß, mit immer demselben grauen Reisemantel und mit häufigen Stopps für seine Skizzen. Fahrten mit der Kutsche waren ihm schon zu schnell.

Er wollte Eindrücke nicht flüchtig vorbeihuschen lassen, sondern nachhaltig aufsaugen. Auf seinen Spuren unterwegs zu sein, stillt gerade in der schnelllebigen Gegenwart eine Sehnsucht nach Entschleunigung.

Der Künstler verließ sein Atelier nur, um morgens und abends in der Dämmerung die Landschaften rund um Dresden zu durchwandern. Durch die romantischen linkselbischen Täler gelangte Caspar David Friedrich nach Meißen, wo er die Ruine des Klosters Heilig Kreuz malte.

Die Ruinen des ehemaligen Klosters Altzella entdeckte der Maler im Muldental. Foto: SBG Sachsen gGmbH/Sylvio Dittrich

Am anderen Ende des herrlichen Triebischtals mit seinen schönen Aussichten vom Götterfelsen und Zuckerhut entdeckte er außerdem im Park Altzella ein weiteres Kloster. Dort faszinierte ihn besonders die Ruine des Sommerspeisesaals und er machte Skizzen von Abtei, Schüttgebäuden und Weinkeller.

Aus diesen Aufzeichnungen von 1800 schuf er 30 Jahre später das Gemälde „Ruinen in der Abenddämmerung“, das sich sehr viel düsterer als das Original ausnimmt und im Besitz der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in München ist.

Wandern durch die Felsen und Schluchten der Sächsischen Schweiz

Gute 20 Kilometer östlich von Dresden besichtigte Friedrich die schon einige Jahrhunderte alte und sehr erhaben über dem Ort thronende Burg Stolpen – natürlich mit seinem Skizzenbuch. Diese Burg ist umwoben von einer dramatischen Geschichte: 49 Jahre lang war sie das Gefängnis der Gräfin Cosel, der legendären Mätresse Augusts des Starken. Den Coselturm der Burg Stolpen zeichnete der Künstler im Sommer 1820.

Was ihn besonders begeisterte, war die Landschaft ringsum, die er oft allein zu Fuß durchstreifte. Caspar David Friedrich liebte die bizarren Felsformationen und Schluchten der Sächsischen Schweiz und hielt sich des Öfteren hier auf. Belegt sind Besuche in den Jahren 1800, 1808 und 1812.

Eindrücke aus dem Uttewalder Grund bei Lohmen verarbeitete Caspar David Friedrich 1825 in einem düsteren Ölgemälde gleichen Namens. Foto: TVSSW/Philipp Zieger

Von Frühjahr bis Sommer 1813 lebte der Maler mit dem markanten Backenbart sogar einige Monate am Stück hier. Damals wüteten die Befreiungskriege gegen die Napoleonischen Truppen. In Krippen wollte er davon Abstand gewinnen. In dieser Zeit entstand das Krippener Skizzenbuch mit einem Fundus sehr detaillierter Zeichnungen von Felsen, Bäumen und Panoramen, aus dem er für kommende Gemälde schöpfte.

Eine seiner Wanderungen führte Friedrich damals zum Fuß der Kaiserkrone, einem Tafelberg. Die Zeichnung, die er dort anfertigte, nannte er „Felsige Kuppe“ und hielt damit genau jenen Felsen fest, auf den er später seinen berühmten „Wanderer über dem Nebelmeer“ stellte. Auch weitere Berge und Felsen aus früheren Skizzen vom Mai 1808 lassen sich auf dem Bild entdecken: der Gamrig bei Rathen oder der Rosenberg in der Böhmischen Schweiz.

Auf dem Malerweg zu Caspar David Friedrichs Inspirationsorten

In der Natur finden sich diese Berge nicht in einem Panorama vereint, denn Friedrich ging es weder um die Wiedergabe einer tatsächlichen Landschaft, noch eines konkreten Moments, sondern um einen bestimmten Eindruck, ein inneres Empfinden, eine Symbiose aus Religion, Metaphysik, Naturmystik und Psychologie.

Die Naturempfindung als Quelle der Erkenntnis war für ihn zeitlebens ein bestimmendes Thema. „Ich muss mich dem hingeben, was mich umgibt, mich vereinigen mit meinen Wolken und den Felsen, um das zu sein, was ich bin“, schrieb er und berichtete dem russischen Dichter W. A. Shukowsky 1821, er habe einmal eine ganze Woche im Uttewalder Grund, einer engen Schlucht bei Lohmen, „zwischen Felsen und Tannen“ gewohnt und dabei keine Menschenseele getroffen. 1825 verarbeitete er das intensive Erlebnis zu seinem düsteren Ölgemälde „Uttewalder Grund“.

Seinen längsten Aufenthalt in der Sächsischen Schweiz verlebte Caspar David Friedrich im Sommer 1813 in Krippen, wo man seinen Spuren auf einem Wanderweg folgen kann. Foto: TVSSW/Philipp Zieger

Der 116 Kilometer lange, sehr beliebte Malerweg verbindet viele der Orte und Ansichten in der Sächsischen Schweiz miteinander, die Caspar David Friedrich ehedem inspiriert haben. Rund um seinen Rückzugsort Krippen bei Bad Schandau verspricht außerdem der nur 15 Kilometer lange Caspar-David-Friedrich-Wanderweg eine intensive Erfahrung für alle, die Friedrich nahekommen wollen.

Unterwegs gibt es immer wieder Tafeln, auf denen Skizzen des Malers zu sehen sind. Auch eine Sandstein-Stele erinnert hier an Friedrichs Aufenthalt. Eine ganz eigene Perspektive kann man bei geführten Maltouren durchs Elbsandsteingebirge finden.

Der Träumer auf dem Berg Oybin

1810 machte der Maler Station im Zittauer Gebirge und verewigte die Klosterruine Oybin in mehreren Bildern. Foto: FVB Oybin/Frank Richter, Dresden

Gemeinsam mit seinem Dresdner Künstlerfreund Georg Friedrich Kersting erkundete Caspar David Friedrich im Juli 1810 das Riesengebirge. Auf dem Weg dorthin bestiegen sie den Berg Oybin im Zittauer Gebirge in der südöstlichen Oberlausitz. Die Aquarelle und Ölgemälde, die Friedrich hier von der spektakulär auf dem Fels thronenden Klosterruine Oybin schuf, sind ein wunderbares Beispiel dafür, warum er als der maßgeblichste Vorreiter der Romantik gilt.

Sein bekanntestes Werk aus Oybin, das kleinformatige „Der Träumer“ von 1840, gehört zur Sammlung der Eremitage in St. Petersburg und zeigt ein Fenster der Klosterkirche, im Gegensatz zu den realen Verhältnissen in die Höhe gesteigert. Für das Ölgemälde auf Leinwand verwendete Friedrich wie in allen seinen Arbeiten die Natur als Spiegelbild menschlicher Empfindungen und als Symbol für das Geheimnis allen Lebens.

Friedrichs Kunstwerke in Dresden, Chemnitz und Leipzig

Mit 14 Gemälden beherbergt das Albertinum in Dresden eine der größten Sammlungen von Gemälden Caspar David Friedrichs aus allen Schaffensphasen. Im Kupferstich-Kabinett werden darüber hinaus unter anderem 70 Zeichnungen und ein Skizzenbuch bewahrt.

Mit diesem Schatz gestalten die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden an beiden Standorten das große Finale des Caspar-David-Friedrich-Festivals, das den Künstler zuvor bereits in Hamburg und Berlin ehrt. Ab dem 24. August zeigen sie unter dem Titel „Caspar David Friedrich. Wo alles begann“ eine große Sonderausstellung.

Neben 14 Gemälden in der Sammlung des Albertinums bewahrt das Dresdner Kupferstich-Kabinett unter anderem 70 Zeichnungen und ein Skizzenbuch des Künstlers. Foto: Sven Döring (DML-BY)

Leipzig sollte für alle Friedrich-Fans ebenfalls auf der Reiseliste stehen. Das Museum der bildenden Künste besitzt drei Gemälde, darunter das Bild „Lebensstufen”. Dieses entstand 1835, fünf Jahre vor dem Tod des Künstlers. Es gilt als eine der umfassendsten Allegorien Caspar David Friedrichs und war ursprünglich nur für die nächsten Angehörigen gedacht.

Die Kunstsammlungen Chemnitz wiederum präsentieren in ihrer Dauerausstellung das Bild „Segelschiff“, das Friedrich mit etwa 40 Jahren kurz vor seiner Hochzeit mit der 19 Jahre jüngeren Caroline Bommer malte.

Auch an vielen seiner ländlichen Wirkungsstätten in ganz Sachsen wird Friedrich 2024 gefeiert. Dort sind weitere spannende Ausstellungen, unterschiedlichste Events und viele Angebote in der Natur geplant.

Wo immer die Reise auch hingehen mag – es lohnt sich, dabei an das zu denken, was Caspar David Friedrich einst vorgelebt hat: die Ruhe zu bewahren und langsam wieder das achtsame Unterwegssein zu entdecken.

Quelle: sachsen-tourismus.de/caspar-david-friedrich

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