Ein Besuch … im Haus Schminke in Löbau
Für Architekturbegeisterte aus der ganzen Welt ist das Haus Schminke in Löbau eine Ikone. Mit ihren Glasfassaden und kühnen Formen zählt die von Hans Scharoun errichtete Villa zu den Leitbauten der Moderne. Wer das Haus besucht, erfährt überraschende Details und Hintergründe – auch über die Besitzerfamilie Schminke, der Scharoun „Ein modernes Haus für 2 Eltern, 4 Kinder und gelegentlich 1-2 Gäste“ nach ihren Wünschen baute.
Futuristischer Familiensitz für Löbauer Nudelfabrikanten
Über 90 Jahre steht das Haus Schminke schon in der Löbauer Kirschallee, die heute traditionelle Eigenheime säumen. Das Grundstück grenzt an die ehemalige Nudelfabrik, die nach ihrer Schließung 1992 noch auf eine zukünftige Nutzung wartet. 1930 befand sie sich im Besitz von Fritz Schminke, der hier die bekannten „Anker“-Nudeln produzieren ließ. In diesem Jahr entschloss er sich gemeinsam mit seiner Frau Charlotte, für die wachsende Familie ein neues Haus direkt neben der Fabrik bauen zu lassen.
Die Eheleute begeisterten sich für moderne Architektur und hatten auf Ausstellungen des Deutschen Werkbundes die Bekanntschaft von Hans Scharoun gemacht. Beeindruckt von seinem Schaffen, beauftragten sie ihn mit dem Bau ihres Landhauses, das 1933 vollendet wurde.
Wohnen und leben mit der Natur
Damals lag das Grundstück am Stadtrand von Löbau im Grünen. Scharoun folgte mit seinem Entwurf den Idealen von Licht, Luft und Sonne und konzipierte das Erdgeschoss als eine langgestreckte, lichtdurchflutete Einheit mit bodentiefen Fenstern. Der Übergang nach draußen war fließend, Blumengarten, Obstwiesen, Gemüsegärten und eine kleine Viehwirtschaft schlossen sich an. Das Leben spielte sich immer in und mit der Natur ab.
Hans Scharoun schuf für die Fabrikantenfamilie Schminke nach eigenen Worten ein „Lebensschiff“. Wahrhaftig erinnern Rundungen, Terrassen, Außentreppen, der mächtige Schornstein und Bullaugen an ein Schiff, weswegen das Haus auch augenzwinkernd als „Nudeldampfer“ bezeichnet wird. In ihm verbinden sich praktischer Nutzen und ästhetischer Anspruch.
Führungen und Audioguide verraten Details
Vom Wintergarten mit plätscherndem Brunnen und herrlich unverstelltem Gartenblick über die funktionale, formschöne Frankfurter Küche und die ins Obergeschoss hinaufstrebende Treppe – was schon auf den ersten Blick wie aus einem Guss wirkt, entpuppt sich bei einer Führung oder einem Rundgang mit dem Audioguide als bis ins kleinste Detail durchdachtes Ensemble. Zum Ausprobieren verleiten die runden Gucklöcher aus buntem Glas in den Außentüren. Eingefügt sind sie auf halber Höhe und zeigten den Schminke-Kindern die Welt in immer anderen Farben.
Ein Haus der lebendigen Erinnerungen
Neben seiner einzigartigen Architektur machen gerade diese persönlichen Erinnerungen der ehemaligen Besitzer einen Besuch im Haus Schminke aus. Ihr Familienleben in den 1930er Jahren ist in jedem Raum spürbar: Was hat es zum Beispiel mit dem besonderen Bezug des großen hellen Sofas im Wohnzimmer auf sich, warum benutzten die Kinder selten die Treppe oder warum haben die Schranktüren im Foyer unterschiedliche Farben? Die Antworten gibt’s vor Ort in Löbau …
Die Familie Schminke bewohnte ihr Haus insgesamt nur zwölf Jahre. Nach 1945 wurde das Gebäude als Kindererholungsheim, Pionierhaus und Freizeitzentrum genutzt. Heute wird es von der Stiftung Haus Schminke betrieben.
Kirschallee 1 b, 02708 Löbau
Tel. 03585 862133
Öffnungszeiten
Donnerstag–Sonntag 12–17 Uhr (letzter Einlass: 15.45 Uhr)
öffentliche Führungen Samstag und Sonntag 13 und 15 Uhr
TIPP: Übernachten im Architekturdenkmal
Exklusiv und ganz allein am Abend durchs Haus Schminke schlendern, auf der Terrasse einen Wein trinken, im Wintergarten gemütlich frühstücken: Das geht tatsächlich! Das Haus Schminke kann für eine individuelle Übernachtung außerhalb der Öffnungszeiten gebucht werden. Tagsüber buchstäblich aus Sonnenlicht gebaut, bestechen die Räume in der Abenddämmerung durch eine ausgefeilte Lichtregie und tauchen die Nacht in warmes Orange.
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