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Der Schriftsteller Karl May: Ein großer Fabulierer

Hohenstein-Ernstthal und Radebeul waren die maßgeblichen Stationen im Leben Karl Mays, des Schöpfers von Winnetou und Old Shatterhand. Hatte er auch immer anderes behauptet: Die exotischen Orte, über die er in seinen Romanen schrieb, sah er tatsächlich erst im fortgeschrittenen Alter.

1899 brach er zu seiner großen Orientreise auf, 1908 weilte er für drei Monate in Nordamerika. Sachsen hingegen ist noch heute voller Spuren des Schriftstellers.

„Old Shatterhand – das bin ich selbst“

Verkleidet als Old Shatterhand posierte Karl May 1896 für den Fotografen. Foto: Karl-May-Museum Radebeul

Zu Ostern 1896 ließ der berühmte Abenteuerschriftsteller Karl May den Amateurfotografen Alois Schießer aus Linz anreisen. In seiner Radebeuler Villa entstanden genau 101 Aufnahmen, die sowohl Leser als auch Besucher des Hauses von einem überzeugen sollten: Die Romanhandlungen des Erfolgsautors waren nicht seiner Fantasie, sondern eigenen Erlebnissen entsprungen!

Verkleidet schlüpfte der damals 54-jährige May in die Rollen seiner Ich-Gestalten Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi und posierte auch mit zweien der nach seiner Aussage „berühmtesten Gewehre der Welt“ – dem Bärentöter und Winnetous Silberbüchse.

Lange wurde über deren Herkunft gerätselt, doch genauso wie bei der Old-Shatterhand-Legende („Old Shatterhand – das bin ich selbst.“) hatte May hier nachgeholfen. Beide Gewehre gab er bei dem jungen Dresdner Büchsenmacher Max Fuchs in Auftrag; 1902 erwarb er außerdem noch den nicht minder bekannten Henrystutzen.

Vom Häftling zum Erfolgsautoren

Mit seiner eigenen Legendenbildung hat Karl May ein gutes Stück dazu beigetragen, dass er und sein umfangreiches Werk nicht in Vergessenheit geraten. 111 Jahre nach seinem Tod am 30. März 1912 summiert sich die weltweite Gesamtauflage seiner Abenteuererzählungen auf rund 200 Millionen Exemplare, übersetzt in nahezu 50 Sprachen.

Das Fabulieren machte May sich früh zu eigen, doch meist brachte es ihm mehr Schaden als Nutzen. Aus äußerst ärmlichen Verhältnissen stammend, flüchtete er sich schon als Junge in Fantasiewelten. Mit etwa zwölf Jahren verließ er das heimische Ernstthal bei Chemnitz gar in Richtung Spanien, weil er dort einen edlen Räuber, der den Mittellosen half, aufsuchen wollte.

Er kam allerdings nur bis Zwickau. Falsche Namen und Titel, Betrügereien und kleinere Diebstähle bestimmten seinen Lebensweg ab 1859 und wurden hart bestraft. Bis 1879 bescherten ihm solcherlei Straftaten mehrere Gefängnisaufenthalte.

Endlich wendete sich das Blatt aber doch noch: Mit Anfang 30 hatte Karl May begonnen zu schreiben und Kontakte zu Verlegern geknüpft. Das zahlte sich schließlich aus – wenn auch nicht sofort in barer Münze, so doch in regelmäßigen Veröffentlichungen.

Hier kam May sein unerschöpflicher Einfallsreichtum zugute: Reiseerzählungen, Abenteuer- und Indianergeschichten erschienen in verschiedenen Zeitschriften, Winnetou und Old Shatterhand erlebten ihre Geburtsstunde. Ab 1892 gehörten auch die finanziellen Sorgen der Vergangenheit an. Der Verlag Fehsenfeld publizierte fortan „Carl Mays Gesammelte Reiseromane“, eine Reihe, die bis 1910 auf 33 Bände anwuchs.

Ab 1892 publizierte der Verlag Fehsenfeld Karl Mays Werke. Foto: Karl-May-Museum Radebeul

Karl-May-Stätten in Sachsen

Hohenstein-Ernstthal

Am 25. Februar 1842 wird Karl May als fünftes Kind einer armen Weberfamilie in Ernstthal geboren. Vermutlich als Folge einer Infektionskrankheit ist sein Sehvermögen eingeschränkt und kann erst 1846 nach einer Behandlung in Dresden wiederhergestellt werden. In Ernstthal geht May zur Schule, nimmt zusätzlich Klavierunterricht beim Kantor Strauch und muss zur Aufbesserung des Familieneinkommens als Kegelaufsetzer arbeiten.

Hohenstein-Ernstthal trägt mit Stolz den Beinamen „Karl-May-Geburtsstadt“. Zu entdecken gibt es vieles. Fast überall, wo seine Schritte ihn hinführten, erinnern Plaketten an Karl Mays Tun.

In Hohenstein-Ernstthal zeichnen zahlreiche Plaketten die Stationen Karl Mays nach. Foto: M. Weber

Der Neumarkt war der Mittelpunkt des familiären Lebens. Hier steht unter anderem die St. Trinitatiskirche, in der May getauft und konfirmiert wurde. 1992 wurde ihm dort ein Denkmal errichtet. Am Neumarkt befand sich früher zum Beispiel auch das Schulhaus.

Nur wenige Meter weiter ist der Ort erreicht, an dem Karl May das Licht der Welt erblickte. Schmal und eng wirkt das wie ein Lückenfüller erscheinende Gebäude in der heutigen Karl-May-Straße 54 schon von außen. Tatsächlich ist es nur 4,25 Meter und drei Fenster breit.

Das kleine Museum im Karl-May-Haus widmet sich nicht nur Mays Lebenswerk, sondern zeigt im Weberzimmer auch die ärmlichen Wohn- und Arbeitsverhältnisse des 19. Jahrhunderts. Mit dem modernen, 2022 eröffneten Depotgebäude direkt nebenan wurde die Ausstellungsfläche erweitert.

2022 erhielt das schmale, grün gestrichene Geburtshaus Karl Mays in Hohenstein-Ernstthal einen modernen Depotanbau mit Ausstellungsfläche. Foto: Robert Gommlich

Am Museum startend, führt der Karl-May-Wanderweg zu weiteren interessanten Stationen in Hohenstein-Ernstthal. Am Altmarkt wurde Karl May 1861 zunächst beim Billardspiel im Hotel „Drei Schwanen“ wegen eines angeblichen Uhrendiebstahls verhaftet und danach in der Gendarmerie im Rathaus verhört. Zwischen 1880 und 1883 lebte er gemeinsam mit seiner Frau Emma Pollmer im Haus am Altmarkt 2. Hier arbeitete er intensiv und es entstanden viele Erzählungen des Orient-Zyklus.

Seinen Schlusspunkt findet der Wanderweg an der Karl-May-Höhle im Oberwald. Nach zahlreichen Straftaten versteckte sich May 1869 in diesem alten Bergbaustollen, der damaligen Eisenhöhle, mehrmals vor der Polizei. Viele Orte seiner Heimat verewigte der Autor wie auch manche Personen in seinen Werken.

Waldenburg

Mit 14 Jahren wird Karl May 1856 am Fürstlich Schönburgischen Lehrerseminar in Waldenburg aufgenommen. Die finanziellen Verhältnisse der Familie lassen den gewünschten Universitätsbesuch nicht zu, nur ein Volkslehrerstudium ist möglich.

Im einstigen Lehrerseminar befindet sich seit Mitte der 1990er Jahre das Europäische Gymnasium Waldenburg. Es ist davon auszugehen, dass Karl May auch oft im Grünfelder Park, einem wunderschönen englischen Landschaftspark, und im Naturalienkabinett der Stadt war.

Das Museum Naturalienkabinett Waldenburg beherbergt eine über 300 Jahre alte naturwissenschaftliche Sammlung, Foto: Oliver Göhler

Plauen

Karl Mays Ausbildung in Waldenburg endet unrühmlich. Ein Kerzendiebstahl wird ihm zur Last gelegt und führt zu seinem Ausschluss. Er darf das Studium aber am Lehrerseminar in Plauen fortsetzen und schließt es 1861 erfolgreich ab.

Seit August 2011 gibt es am Kinder- und Jugendhaus „eSeF“, dem ehemaligen Lehrerseminar, einen Westernspielplatz. Das „Karl-May-Land“ erinnert mit Hügeln, Bachlauf, Marterpfahl, Feuerstelle und natürlich Kletterburgen und Sandkasten an die bekannten Indianergeschichten.

Zwickau

In Penig, Chemnitz und Leipzig ergaunert sich Karl May diverse Kleidungsstücke, um sie zu verkaufen. Er fliegt auf und wird 1865 zu vier Jahren und einem Monat Arbeitshaus auf Schloss Osterstein in Zwickau verurteilt. Wegen guter Führung wird er 1868 vorzeitig entlassen.

Im Schloss Osterstein ist heute eine Seniorenwohnanlage untergebracht. Zur jährlichen Schlossweihnacht ist auch die Öffentlichkeit willkommen.

Mittweida

Die Straftaten, nach denen sich May 1869 in der Eisenhöhle im Oberwald bei Hohenstein-Ernstthal versteckte, führen letztlich doch zu seiner Verhaftung. Billardbälle hatte er gestohlen und mehrfach als „Falschgeldfahnder“ Geld erschlichen. Er wird am 14. März 1870 ins Bezirksgerichtsgefängnis nach Mittweida gebracht, verurteilt und tritt am 3. Mai seine Strafe im Zuchthaus Waldheim an.

Der erhalten gebliebene Zellentrakt im einstigen Bezirksgerichtsgefängnis Mittweida kann im Rahmen einer Nachtwächterführung des Museums „Alte Pfarrhäuser“ besichtigt werden. In welcher Zelle genau Karl May einsaß, ist allerdings nicht belegt.

Dresden

Nach mehreren kürzeren Aufenthalten in Dresden, wo er als Redakteur arbeitete, zieht Karl May mit seiner Ehefrau im April 1883 endgültig in die Residenzstadt. Er ist nun freischaffend tätig, lebt aber sehr zurückgezogen. Seine Vorstrafen haben ihn geprägt.

Unter Pseudonym schreibt er auch diverse eher seichte Kolportageromane. Sonntagsausflüge in die Dresdner Heide, den Plauenschen Grund oder die Sächsische Schweiz werden unternommen.

Von den Dresdner Wohnungen Karl Mays existiert heute nur noch das Haus in der Sebastian-Bach-Straße 22 (einst Sommerstraße) in Blasewitz. Daran befindet sich eine Gedenktafel.

Radebeul

1888 werden die Eheleute May in Radebeul ansässig. Durch sein Engagement beim Verlag Fehsenfeld, der Mays Reiseromane seit 1892 in einer Buchreihe herausbringt, und Veröffentlichungen in Zeitschriften kommt der Schriftsteller nach langen entbehrungsreichen Jahren zu Wohlstand.

Ende 1895 kauft Karl May die Villa „Shatterhand.“ Das Anwesen wird zum Anlaufpunkt für Bewunderer. Sein zurückgezogenes Leben ist vorbei, Karl May brüstet sich mit vermeintlichen Reisen und Freundschaften zu Winnetou oder Halef Omar. 1.200 Sprachen und Dialekte beherrsche er und sei selbst Old Shatterhand.

Fans von Karl May können am authentischen Wohnort, dem heutigen Karl-May-Museum in Radebeul, unmittelbar in seine Welt eintauchen. In der Villa „Shatterhand.“ sind Arbeitszimmer und Bibliothek sowie der Empfangssalon und das Gedenkzimmer an Klara May, die zweite Ehefrau, zu besichtigen.

Die Welt Karl Mays eröffnet sich in den Räumen seines ehemaligen Wohnhauses, der „Villa Shatterhand.“ in Radebeul. Foto: Karl-May-Museum Radebeul

Auch die legendären Originalwaffen Silberbüchse, Bärentöter und Henrystutzen werden im Karl-May-Museum präsentiert. Im Empfangszimmer fallen die großformatigen Gemälde des Künstlers Sascha Schneider ins Auge, mit dem Karl May ab 1903 eine enge Freundschaft verband. Er gestaltete die symbolischen Titelbilder der Fehsenfeld-Edition.

Das Karl-May-Museum hat aber noch mehr zu bieten. Im Garten des Grundstücks wurde 1928 die Ausstellung „Indianer Nordamerikas“ in der Blockhütte „Villa Bärenfett“ eröffnet. Die Sammlung basiert auf dem ursprünglichen Bestand Karl Mays, zugekauften Exponaten Klara Mays und unzähligen ethnografischen Objekten von Patty Frank.

Der weitgereiste Artist und Indianerfreund übergab seine Sammlung gegen lebenslanges Wohnrecht an die Karl-May-Stiftung, war Verwalter und Museumsführer der „Villa Bärenfett“. Totempfähle, Jagdtrophäen und Federschmuck zählen zu den 850 Exponaten, die Auskunft über die kulturellen Besonderheiten der verschiedenen Völkergruppen geben.

In der „Villa Bärenfett“ in Radebeul wird die Ausstellung „Indianer Nordamerikas“ gezeigt. Foto: Karl-May-Museum Radebeul

Ende März 1912 kehrt Karl May von einem Vortrag in Wien nach Radebeul zurück. Die vergangenen Jahre haben an ihm gezehrt. Seine einst unter Pseudonym veröffentlichten Kolportageromane waren widerrechtlich unter vollem Namen publiziert worden.

Die Presse griff ihn wegen der Identifikation mit seinen Romanhelden und der erfundenen Reisen an. Seine Jugendstrafen wurden ausgegraben und aufgebauscht. Gerichtsprozess nach Gerichtsprozess folgte. Auch wenn seine Gegner schließlich bestraft werden, haben die fortwährenden Attacken May so schlimm zugesetzt, dass er am 30. März mit 70 Jahren stirbt.

Das Grabmal Karl Mays und seiner Frau Klara ist auf dem Friedhof Radebeul-Ost zu finden. Es wurde dem Nike-Tempel auf der Akropolis in Athen nachempfunden.

Autorin: Claudia Weber

 

Comments (2)

  • Menge. Doris

    Man muss nicht mit allem zufrieden sein, was Karl May schrieb. Wichtig ist nur, dass er versucht hat die Menschen mit Büchern zu unterhalten. Auch mit ihm sollten wir lernen, großzügig umzugehen. Mit seinen Büchern hat Karl Kay die Menschen trotz allem versucht, von ihren Alltagssorgen abzulenken. Er hatte nicht die Voraussetzungen, alles perfekt zu wissen und niederzuschreiben. Wer heute eine Schule erfolgreich absolviert, ist auch kein fertiger Mensch und weiß alles.

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