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Plauen: Von Spitze, Vögten und Wendemut

In 42 Metern Höhe liegt sie einem zu Füßen, die geschichtsträchtige Spitzenstadt Plauen. Mit der Sonne im Gesicht und einem leichten Windzug um die Nase sind vom Rathausturm aus alle Sehenswürdigkeiten gut auszumachen. Der restaurierte Schlossberg mit der Staatlichen Studienakademie zum Beispiel, die Elsterbrücke oder die Weberhäuser am Mühlgraben, die als eine der ältesten Häuserzeilen der Stadt gelten.

Im Tal der Weißen Elster entdeckt man schnell mehrere heute neugestaltete Areale. Einst reckten an dieser Stelle Fabriken ihre meterhohen Schornsteine in den Himmel. Zur Blütezeit der Spitzenindustrie 1912 wurden hier an 16.000 Stickmaschinen filigrane Meisterwerke aus Plauener Spitze hergestellt.

2022 feierte Plauen sein 900-jähriges Stadtjubiläum. Foto: A. Wetzel

Auf der anderen Seite der Innenstadt ist die steile Magistrale, auf der die Straßenbahn zum Bahnhof fährt, ein Blickfang. Unweit davon versammelten sich 1989 tausende Plauener, um für die deutsche Wiedervereinigung zu demonstrieren.

Auch die vielen grünen Ecken fallen vor der Kulisse der vogtländischen Hügellandschaft ins Auge. Das alles macht Lust, die 900 Jahre alte Stadt genauer unter die Lupe zu nehmen. Los geht‘s.

Kreatives Viertel rund um die Weberhäuser am Mühlgraben

Ein guter Startpunkt für eine Erkundungstour ist die Tourist-Information im Neuen Rathaus, das Anfang des 20. Jahrhunderts erbaut wurde. Auf verschiedenen Themenrouten und mit qualifizierten Stadtführern fällt die Auswahl leichter. Einer davon ist Dr. Frank Spranger, der seit seinem Eintritt in den Ruhestand vor drei Jahren mit seiner gut bestückten Aktentasche Touristen mit Esprit und Fachwissen durch Plauen lotst.

„Ich möchte meiner Stadt etwas zurückgeben. Und das Ganze macht mir natürlich viel Spaß“,

schmunzelt der ehemalige Orthopäde. Er ist auch Herr über die Schlüssel, die die Türen zum Rathausturm öffnen. 230 Stufen sind es bis zur 42 Meter hohen Aussichtsplattform – ein Aufstieg, der sich wirklich lohnt.

Nach einem faszinieren Blick aus der Vogelperspektive und einem leichtfüßigen Abstieg geht es in die Elsteraue zu den pittoresken Weberhäusern und dem Handwerkerhof. Der engagierte Unikatverein hat hier wahrlich ein kreatives Paradies geschaffen.

Die Weberhäuser mit ihren romantischen Gärten sollten bei keinem Plauen-Besuch fehlen. Foto: Stadt Plauen

In den Häusern siedelten sich im 17. Jahrhundert durch die direkte Lage am Mühlgraben Färber und Gerber an. In den vergangenen 20 Jahren wurden in den Fachwerkhäusern aufwändig Schauwerkstätten eingerichtet, in denen besonders für Kinder zahlreiche Workshops angeboten werden. Eine Bühne am verwunschen wirkenden Garten des Areals mit seiner originellen Bibliothek feiert die Kunstszene und den romantischen Mühlgraben hinter den Weberhäusern muss man gesehen haben. Historische Führungen und vielfältigste Veranstaltungen laden dazu ein.

Auf den Spuren der berühmten Plauener Spitze

In diesem sogenannten Kreativquartier Elsteraue wird ab Herbst 2023 auch ein neues Museum für Furore sorgen. Die Fabrik der Fäden stellt dann im ehemaligen Weisbachschen Haus als Deutsches Forum für Textil und Spitze alles rund um das Thema textile Verarbeitungsformen vor – und zwar mit modernsten und interaktiven Ausstellungsbereichen. Das Museum soll Menschen aus aller Welt ins Vogtland locken und dabei natürlich zeigen, wie die berühmte Plauener Spitze die Stadt vor 150 Jahren zur Metropole aufsteigen ließ.

Bis zur Eröffnung der Fabrik der Fäden zeichnet diese Entwicklung noch das Spitzenmuseum im schmucken Alten Rathaus mit seinem Renaissancegiebel nach. Hier erhalten Interessierte einen beeindruckenden Einblick in das filigrane Kunsthandwerk, das typisch für Plauen ist, und seine Geschichte.

Plauener Spitze in allen Facetten gibt es im Spitzenmuseum zu bestaunen. Foto: Stadt Plauen

Als Plauen zur Metropole wurde

Nachdem Anfang des 19. Jahrhunderts die Handstickerei in Heimarbeitsplätzen bereits sehr viele Menschen beschäftigte, führte der Einsatz von Stickmaschinen zur industriellen Revolution. Nun konnte die hohe Nachfrage nach bestickten Musselinen und Batisten aus aller Welt bedient werden. Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts blühte die Stickindustrie auf und die Einwohnerzahl verdoppelte sich auf 128.000.

„Plauen hatte 1900 sogar eine direkte Zugverbindung nach Paris zur Weltausstellung und auch die USA hatten hier ein eigenes Konsulat. Leider änderte sich nach 1912 die Mode und die Nachfrage brach dramatisch ein“,

erklärt Frank Spranger. Heute ist die Branche im Vogtland wieder im Aufwind, ist im Bereich der Spezialtextilien aktiv oder stellt neue Modetrends auf der Fashion Week in Berlin und London vor.

„Die Kreativszene ist jedoch nicht nur im textilen Bereich groß“, betont Frank Spranger. „Jeder Kulturinteressierte kommt auf seine Kosten“. Als mögliche Anlaufstelle legt er seinen Gästen gern das Malzhaus gleich oberhalb der Weberhäuser mit seinen imposanten Tonnen- und Kreuzgewölben ans Herz. Heute ist es Soziokulturelles Zentrum, das von Kabarett über Kino bis hin zu Ausstellungen und dem einzigartigen Folkherbst von sich reden macht.

e .o. plauen und die Geschichten von „Vater & Sohn“

Längst sind nicht alle Ecken erkundet und der Rundgang durch die malerische Altstadt mit ihren zahlreichen urigen Hinterhöfen geht weiter. In der „Matsch“ – Plauens ältester Gastwirtschaft – kann man im Hinterhof sogar ein paar Schritte auf dem restaurierten Wehrgang aus dem 13. Jahrhundert unternehmen.

Ebenfalls in der Nobelstraße steht das Vogtlandmuseum, das die Geschichte der Stadt und der Region zusammenfasst. Hier werden die Lebenswege der Vögte von Plauen, Weida und Gera nacherzählt, die dem Vogtland schließlich seinen Namen gaben. Das unter Denkmalschutz stehende Gebäude ist zudem ein imposanter Zeuge der wirtschaftlichen Blütezeit des Plauener Tuchhandels nach 1760. Im Inneren, empfiehlt Spranger, lohne sich der Blick in den wunderschönen Festsaal des prunkvollen Kaufmannshauses.

Von der wirtschaftlichen Blütezeit des Plauener Tuchhandels um 1760 künden die historischen Gebäude des Vogtlandmuseums. Foto: Stadt Plauen

Gleich vor dem Museum steht eine auffällige Bronzeplastik: die Vater-und-Sohn-Skulptur. Sie ist dem berühmten Plauener Erich Ohser (1903–1944) gewidmet. Der Zeichner wird besonders für seine Bildgeschichten von „Vater & Sohn“ geliebt, die er unter dem Pseudonym e.o.plauen veröffentlichte. Das Erich-Ohser-Haus ist über das Vogtlandmuseum zu erreichen und berichtet detailreich vom Leben des scharfen Beobachters, seinen Zeichnungen und der Verfolgung durch die Nationalsozialisten.

Altstadtblick an den Schlossterrassen

Über eine hübsche Querverbindung zur Marktstraße setzt sich der Rundgang über den Altmarkt mit dem König-Albert-Brunnen in Richtung Schlossterrassen fort. Einen kleinen Geheimtipp gibt Frank Spranger an der Stelle noch preis: „Ein Eis oder ein Törtchen in der Patisserie klein & fein ist ein wirklich sehr leckerer Grund für eine kurze Pause.“

Gesagt, getan. Mit einer vorzüglichen Kugel Lavendel-Honig-Eis im Magen geht es beschwingt an das letzte Drittel der Tour. An den Schlossterrassen angekommen, kann man leider nichts mehr vom alten Schloss der Vögte aus dem 13. Jahrhundert erkennen. Es wurde im Zweiten Weltkrieg bis auf den 16-eckigen Roten Turm komplett zerstört.

Von den nach historischem Vorbild wieder aufgebauten Schlossterrassen reicht der Blick weit über die Stadt. Foto: Stadt Plauen

Die Schlossterrassen wurden allerdings nach historischem Vorbild wieder aufgebaut und erst 2021 fertiggestellt. Eine Aussichtsplattform bietet einen weiten Blick auf die Altstadt. In den Felsenkellern darunter kann man sich bei Führungen in das Luftschutzmuseum begleiten lassen.

Zurück geht es Richtung Postplatz und Bahnhofstraße. Hier pulsierte um 1900 das Leben und hier stand das Café Trömel, in dem zu Spitzenzeiten täglich tausende Menschen das Tanzbein schwangen und sich einen Kaffee schmecken ließen.

Eine Kerze als Erinnerung an die Wende

Dr. Frank Spranger führt Gäste durch seine Heimatstadt. Das Wende-Denkmal darf dabei natürlich nicht fehlen. Foto: Stadt Plauen

Unweit des Cafés, das ebenfalls dem Bombenhagel am Ende des Zweiten Weltkrieges zum Opfer fiel, steht das Wendedenkmal: eine übergroße Kerze für den Widerstand der Plauener gegen das DDR-Regime. Dieser nahm am 7. Oktober 1989 – dem eigentlichen Feiertag zum 40-jährigen Staatsjubiläum – im Vogtland seinen Anfang und breitete sich danach schnell auch auf andere Städte des Landes aus.

„Ich kann mich noch gut daran erinnern“, berichtet Frank Spranger. „Aus 2.000 Demonstranten wurden schnell 15.000. Der Pfarrer hat immer wieder zur Gewaltfreiheit aufgerufen.“

Vor diesem friedlichen Protest kapitulierte schließlich die Staatsmacht und ließ die Plauener demonstrieren. Das Denkmal erinnert eindrucksvoll an den Mut der Bevölkerung, die danach noch 23 Wochen lang jeden Samstag friedlich für Freiheit und Demokratie auf die Straßen ging.

Zeit nehmen für Ausflüge ins sehenswerte Umland

Mit dem neuesten Wendepunkt der Plauener Geschichte endet nun die Führung mit der Erkenntnis, dass ein Tag nicht ausreicht, um alle Facetten der Stadt zu entdecken. Bei einem längeren Besuch finden sich sicherlich genügend Gelegenheiten, sich durch die Altstadt treiben zu lassen, die immer noch gelebte Kaffeekultur zu genießen, an einen der zahlreichen Brunnen zu rasten und die Geschichte der Spitzenstadt auf eigene Faust zu erkunden. Auch für einen Abstecher in die nahe Umgebung zum Wandern und Radfahren, zur Falknerei Herrmann – der größten Ostdeutschlands – zur weltberühmten Göltzschtalbrücke oder zum großen Freizeitareal an der Talsperre Pöhl ist dann Zeit.

Autorin: Christiane Schwarzbach

TIPP

Foto: Stadt Plauen

Über die Tourist-Information Plauen können verschiedene Themenführungen gebucht werden:

  • Unterwegs mit dem Plauener Nachtwächter Friedrich Wilhelm
  • Musikalische Stadtführung mit selbst getexteten Liedern des Stadtführers
  • Faszination Plauener Spitze
  • Hexenführung an den Weberhäusern
  • Auf den Spuren der Vögte
  • Weihnachtliche Stadtführungen

 

 

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